Im Ausgangsverfahren wurde der Kläger als Betreiber einer Diskothek geschätzt, da seine Kassenführung formell ordnungswidrig war. Im Klageverfahren übte das FG Hamburg seine eigene Schätzungsbefugnis aus (FG Hamburg, Urteil v. 13.10.2020 – 2 K 218/18). Diese Schätzung beanstandet der Kläger mit seiner erneuten Revision, da er die Richtsatzsammlung als keine tragfähige Schätzgrundlage ansieht. Dem hat sich der BFH nun angenommen.
Der BFH hat das Revisionsverfahren zum Anlass genommen, sich grundlegend mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen, inwiefern die Richtsatzsammlung eine Schätzung rechtfertigen kann. In seiner bisherigen Rechtsprechung ging der BFH mit einem Teil der Literatur davon aus, dass eine Schätzung unter Hinzunahme der Richtsatzsammlung des BMF dann möglich ist, wenn eine anderweitige Ermittlung/Schätzung ausscheidet (BFH, Beschluss v. 8.8.2019 – X B 117/18). Gleichzeitig hatte der BFH in seiner jüngeren Rechtsprechung jedoch bereits betont, dass die Richtsatzsammlung nicht den Blick auf den Einzelfall ersetzen kann.
Die Entscheidung des BFH wird eine grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl an Fällen haben. Schätzungsbescheide, die sich wesentlich auf die Richtsatzsammlung stützen, können durch Einspruch nun bis zu einer Entscheidung des BFH offengehalten werden. Auch kann ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unter Hinweis auf die ungeklärten Fragen geprüft werden.